Kino: „The Other Side of the River“

Filmemachen als Abenteuer: Regisseurin Antonia Kilian lebte ein Jahr in Kurdistan um zu dokumentieren, wie eine junge Frau sich zur Polizistin ausbilden lässt. Nun präsentierte sie ihren Film „The Other Side Of The River“ im Filmhauskino.

Es gibt so Filmemacherinnen, die ihre Projekte jahrelang bis ins Detail planen. Andere packen ihre Kameras und fahren spontan los. Wie Antonia Kilian. Als die Kamerafrau 2016 hörte, dass die kurdischen Kräfte in Nordsyrien die mehrjährige Herrschaft des islamischen Staates beendet hatten, beschloss sie ihre Koffer zu packen und einen Dokumentarfilm darüber zu machen: „Ich bin nur mit meiner Kamera hingefahren, ohne Budget, ohne Crew und ohne ein Wort Arabisch zu können“, erzählt sie im Filmhauskino. „Ich habe gedacht, dass sich das alles vor Ort schon ergeben würde.“

Der Wagemut zahlte sich aus: Tatsächlich lernte sie schnell Menschen aus der syrischen Filmszene kennen, die ihr bei der Produktion halfen – vor allem aber traf sie auf Hala.
Die 19-jährige war zusammen mit ihrer Schwester aus ihrem Elternhaus geflüchtet, weil ihr Vater sie zwangsverheiraten wollte. Mit einem IS-Kämpfer, um das Haus vor deren Aggression zu schützen. „Ich bin zwanzig Jahre lang ohne Mann ausgekommen – und ich schaffe es noch hundert weitere“, sagt Hala und es klingt wie ein Mantra. Kilian trifft die Schwestern in einer kurdischen Militärakademie, in der bewusst Frauen ausgebildet werden um als Soldatinnen oder Polizistinnen in ihre Heimatdörfer zurückzukehren: Uniform statt Schleier. Kalaschnikov statt Kochgeschirr.
„In den links-feministischen Kreisen des Westens, aus denen ich komme, wird das als große emanzipatorische Tat gepriesen“, erzählt Antonia Kilian. „Es gibt zahlreiche Bücher, welche diese Frauen als moderne Amazonen feiern. Die Realität sieht dann doch etwas anders aus.“


Die Frauen, die wir in ihrem Film kennen lernen sind in erster Linie verwundete Seelen. Viele von ihnen haben entsetzliche Gräuel erlebt – den Tod von Verwandten durch Steinigung, den allgegenwärtigen Krieg – und lernen nun an der Akademie, dieses Grauen in eine harte Schale zu kleiden.
Wir sehen die müden Gesichter der Rekrutinnen, während ihre Ausbilderinnen markige Reden halten, die vom Opfermut der Frauen und der Bosheit der Männer handeln: „Liebe gibt es nicht. Lieber opfere ich mein Leben im Kampf, als mich jemals wieder mit einem Mann einzulassen.“ Werden hier wirklich Menschen befreit? Oder wird der Gehorsam gegenüber der Familie nur durch einen neuen ersetzt?

Es ist ein großes Verdienst von Antonia Kilian, dass sie trotz ihrer starken Sympathie für das Projekt in keinem Moment einen Werbefilm abliefert. Immer will sie genau hinsehen und verstehen, was sich hinter der Fassade verbirgt.
Als die Frauen zurück auf den Straßen ihres Heimatortes sind, bekommt die toughe Schale dann auch deutliche Risse: Von vielen Seiten schlägt den jungen Polizistinnen offene Feindschaft entgegen – auch aus der eigenen Familie. Die empfindet es als „Schande“, was die Töchter tun und versucht sie zu überzeugen zurückzukommen und zu heiraten. Das treibt den Konflikt schließlich auf die Spitze…

Ein ganzes Jahr verbrachte Antonia Kilian für ihren Film in dieser Welt. Viele hundert Stunden Material drehte sie – teilweise ohne ein einziges Wort von dem zu verstehen, was dort gesagt wird, aber in einem immer tieferen emotionalen Zusammenhalt mit ihrer Protagonistin. Denn Halas Persönlichkeit und ihr Schicksal sind der Fixpunkt des Films.

Alle anderen Dimensionen bleiben dagegen völlig vage: Wo genau das Geschehen stattfindet, welche politischen Motivationen dahinter stehen ist unklar. So etwas einfaches wie die Einblendung einer Karte zu Beginn hätte viel geholfen.
Aber auch der eigentliche Anlass für den Film – dass die Gegend ein Sehnsuchtsort für westliche Feministinnen ist – erfahren wir nur durch das Gespräch mit der Regisseurin. Dadurch verliert der an sich starke Film leider viel an Kraft auch Menschen außerhalb einer links-feministischen Blase zu erreichen. Er bleibt aber doch ein Zeugnis für mutiges Filmemachen.
WERTUNG: 3

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