„Eine Frau zu sein bedeutet, dass unsere Arbeit unterbezahlt und unser Verstand unterbewertet wird.“ Was klingt wie ein Slogan aus der aktuellen Gleichberechtigungsdebatte ist schon etliche Jahrzehnte alt. Im Film „Die Misswahl“ sagt es eine Womans-Liberation-Sprecherin im Jahr 1970 vor jungen Frauen aus London. Diese kommen aus ganz unterschiedlichen Schichten: Die geschiedene Sally (Keira Knightley) studiert Kunstgeschichte, hat eine kleine Tochter zu Hause. Jo (Jessie Buckley) lebt in einer Kommune und haut ihre Frustration mit Graffiti an die Wände. Vereint werden sie durch ein gemeinsames Ziel: Die Veränderung einer Welt, in der Männer unwidersprochen schreckliche Frisuren tragen und auf dicke Hose machen, während die Frauen den Laden schmeissen und dabei gefälligst noch nett auszusehen haben.
Fokuspunkt für die Abneigung der Aktivistinnen wird der Wettbewerb um die „Miss World“ – zu jener Zeit ein Publikumsmagnet mit mehr Zuschauern als die Mondlandung. Eine Veranstaltung, bei der die Maße der Teilnehmerinnen mit dem Megafon verkündet werden, bevor diese mit zusammengekniffenen Pobacken einem Gremium alter, weißer Herren präsentiert werden. Sally und Jo beschließen, diesen „Viehmarkt“ zu infiltrieren und ein öffentlich wirksames Zeichen zu setzen…
Das schöne an Philippa Lowthorpes Film ist, dass er es nicht bei einer Perspektive belässt. So lernen wir auch die Teilnehmerinnen des Wettbewerbs kennen, die teilweise ganz andere Sorgen haben, als die britischen Aktivistinnen: Mrs. Granada, Jennifer Hosten (Mbatha-Raw) möchte mit ihrem Vorbild zeigen, dass auch schwarze Mädchen das erreichen können, was für weiße selbstverständlich ist. Mrs. USA möchte verzweilft raus aus irgendwo in Illinois.
Und dann ist da noch das Ehepaar Morley (Keeley Hawes und Rhys Ifans), das den Wettbewerb seit zwanzig Jahren organisiert und nun den rauen Wind eines neuen Zeitgeistes spürt. Selbst als sie erstmals eine farbige Kandidatin aus Südafrika zulassen, bekommen sie die Häme der Presse zu fühlen: Ein Kniefall vor dem Apartheid-Regime sei das. Das sieht „Mrs. Africa Süd“ Pearl Jansen (Loreece Harrison) ganz anders: Für sie ist es ein Ausbruch aus der Fabrik in der sie lebt – aber auch ein gefährlicher Trip: Das Regime drohte ihr bei dem kleinsten Aufreger mit der Verschleppung ihrer Familie.
Der Film hat sich wirklich viel vorgenommen. Manchmal zu viel. Ein weiterer Handlungsstrang um den alternden Chauvi-Entertainer Bob Hope (Greg Kinnear) bremst mehr als er bringt. Zudem wirken manche Szenen stark konstruiert: Parolen und Positionen werden ausgetauscht, nicht Gedanken und Gefühle.
Dennoch bleibt „Die Misswahl“ ein starkes Stück Kino, das deutlich zeigt, dass in einer repressiven Gesellschaft jeder leidet und dass die Grenze zwischen Befreiung und Ausbeutung viel schwerer festzumachen ist, als die Aktivisten es gerne hätten.
WERTUNG: 2